Science Fiction Filme) Lieber Mr. Burman. Es ist schon eine lange Zeit her, als wir das letzte Mal gesprochen haben. Vieles ist seitdem passiert. Du hast unter anderen dein Regiedebüt gegeben mit WILD BOAR, welches du auch geschrieben und produziert hast. Auch hast du bei einigen Musikvideos das Make-Up gemacht. Bevor wir aber dazu kommen, lass uns noch ein wenig in der Vergangenheit bleiben. Du hast mir berichtet, dass du in den 80er Jahren bei Boss Films gearbeitet hast, als diese zur Produktion von PREDATOR (1987) gerufen wurden. Damals noch unter dem Titel THE HUNTER. Du hast hier Blut angemischt. Sowohl menschliches als auch außerirdisches. Welche Mixturen nimmt man denn am besten zur Herstellung von Blut? Welches Mischverhältnis wäre gut?

 

Barney Burman) (Lacht) Ja, ich habe für diesen Film eine Menge Blut hergestellt. Ich weiß noch wie ich einkaufen ging und den ganzen Karo-Maissirup in den örtlichen Märkten aufkaufte. Damals bestand das Blut hauptsächlich aus diesem Sirup und Lebensmittelfarbe. Aber viele Leute haben seitdem viel besseres Blut hergestellt und um ehrlich zu sein, weiß ich gar nicht was sie heutzutage verwenden. Andere Zutaten für andere Bedürfnisse, vermute ich. Wenn ich jetzt Blut brauche, gehe ich einfach in ein Geschäft für Schminkbedarf und kaufe es aus dem Regal.

 

SFF) Du hast mir berichtet, dass die Produktion vom PREDATOR bergab ging und man alles anders machte. Jean Claude van Damme war raus und die Stan Winston Studios übernahmen die Gestaltung. Warum ging denn alles „bergab“?

 

BB.) Ich muss gestehen, dass ich damals ziemlich weit unten auf der Liste der "Wissenswerten" stand. Ich hörte, dass Van Damme ein Angebot für eine Hauptrolle in seinem eigenen Film bekam und aus seinem Vertrag aussteigen wollte. Aber abgesehen davon, dass ich Blut herstellte und bei der Bemalung der gehäuteten, aufgehängten Leichen half, war ich kein sehr guter Mitarbeiter. Ich habe viel Mist gebaut und bin in Schwierigkeiten geraten. Ich war nur ein paar Wochen bei Boss Film, bevor ich gefeuert wurde, weil ich mich beim Firmenpicknick vor dem Big Boss, Richard Edlund, vorgedrängelt hatte. Ich kann also nicht mit Bestimmtheit sagen, was bei der Produktion schiefgelaufen ist.

 

SFF) Wenn du dich an die Zeit der 1980er und 90er Jahre zurückerinnerst, was bedeutet dir diese Zeit, sowohl in künstlerischer Hinsicht als auch in persönlicher?

 

BB.) Ich habe in dieser Zeit eine Menge gelernt. Einige wertvolle Lektionen. Mein Vater sagte einmal zu mir: "Wenn dich jemand für eine Arbeit bezahlt, warum solltest du sie nicht so gut wie möglich machen?" Und mein Bruder sagte mir: "Bei jeder Form die ich mache, versuche ich sie besser zu machen als die letzte.“ Diese Worte sind mir mein ganzes Berufsleben lang im Kopf herumgeschwirrt. Ich hatte in dieser Zeit auch eine Menge großartiger Gelegenheiten. Zum Teil, weil ich meine Hand gehoben und gesagt habe: "Lass mich das machen. Ich kann es." Und ich habe daran geglaubt, auch wenn ein Teil von mir Angst hatte und sich sicher war, dass ich es nicht kann. Glücklicherweise gab es aber genug Leute, die mir vertrauten und mir die Möglichkeit gaben, durch eigenes Tun zu lernen. Da ich nie eine Schule für Maskenbildner besucht hatte, musste ich in der Praxis lernen. Es war eine Feuerprobe. Mein Vater und mein Bruder waren zwei dieser Leute, aber es gab auch andere Maskenbildner wie Steve LaPorte und Ed French und Filmemacher wie Roger Corman und Adam Simon, der mir meinen ersten Job als Leiter der Make-up-Effekte für seinen Film BRAIN DEAD mit Bill Pullman, Bill Paxton und Bud Cort gab. Ich werde immer dankbar sein für die Möglichkeiten, die mir diese Leute schon früh gegeben haben

 

SFF) Als du für STAR TREK (2009) den Oscar gewonnen hast, änderte sich für dich danach bestimmte Prioritäten? Hattest du nun freiere Auswahl?

 

BB.) Eigentlich war es eine Zeit lang das Gegenteil. Nachdem ich mit STAR TREK  fertig war, ging ich pleite und konnte keine gut bezahlten Jobs bekommen. Ich hatte das Gefühl, dass ich mehr Arbeiten machen müsste die einen Oscar wert wären. Aber 2008 gab es die Finanzkrise, einen Autorenstreik und einen drohenden Streik der Schauspieler. All das führte dazu, dass ein Großteil der Filmindustrie eine Zeit lang stillstand und ich schließlich Jobs annahm, die mich tatsächlich Geld kosteten. Ein Film, den ich machen sollte, handelte von einer Entführung durch Außerirdische. Die Produzenten kamen zu mir und sagten, sie wollten, dass ich drei Außerirdische drehe und sie hatten nur 500 Dollar in ihrem Budget. Dieses Geld würde nicht einmal für die Materialkosten reichen. Und trotzdem war ich so gelangweilt und deprimiert, dass ich sagte: "Ich mache es!“ Aber der Produzent ist ein guter Freund geworden, und man weiß nie, wie eine Sache irgendwann zu einer anderen führt.

 

SFF) Wenn man, wie du, mit vielen Leuten zusammenarbeitest, bekommen ja nicht immer alle all die Anerkennung, die ein Team benötigt. Wie siehst du die Gleichberechtigung von Crew- und Teammitgliedern am Set oder allgemein bei großen Produktionen? Es scheint nämlich immer so, als ob nur die „Großen“ Namen den Ruhm einstreichen.

 

BB.) Große Namen bekommen die Anerkennung und meistens verdienen diese großen Namen die Anerkennung. Das bedeutet nicht, dass andere nicht auch Anerkennung verdienen, aber diese so genannten "großen Namen" haben lange gearbeitet um dorthin zu gelangen wo sie sind. Sie haben sich das Studio, die Liste der Credits, die Beziehungen und den Ruf aufgebaut. Sie haben jahrelang darauf hingearbeitet, dorthin zu kommen wo sie jetzt sind und die Jobs zu bekommen. Sie stehen unter finanziellem Druck, müssen Termine einhalten und sind für die Crew verantwortlich. Es ist ihr Arsch, der auf dem Spiel steht. Es geht nicht nur darum, ein Make-up zu machen oder eine coole Kreatur zu formen. Es gibt so viel mehr was dazu gehört um sich einen Ruf als großartiger Künstler zu erarbeiten und jemand zu sein, der seine Leistung bringen kann. Ich glaube, das meiste davon wird nicht berücksichtigt. Zum Glück haben wir jetzt das Internet, so dass die Leute ihre Beiträge der breiten Masse zeigen können. Und das zu Recht. Aber es geht auch in beide Richtungen. Ich habe gesehen, wie Künstler ein Bild von einem Make-up gepostet haben, dass sie selbst aufgetragen haben und dann die Anerkennung der Person heruntergespielt haben, die das Make-up ursprünglich entworfen und sie beauftragt hat, es aufzutragen. Ich denke, wir sollten uns alle einen Moment Zeit nehmen und Anerkennung und Respekt zollen, wo es angebracht ist.

 

SFF) Kommen wir kurz zu den von mir genannten Musikvideos wie z.B. für Skrillex oder Pink. Wie sieht der zeitlich Aufwand bei solchen Produktionen aus? Schafft man alles was man machen möchte?

 

BB.) Musikvideos sind in der Regel ziemlich schnell und hektisch, können aber auch sehr viel Spaß machen. Mit begrenzter Zeit und begrenzten Budgets komme ich fast nie dazu das zu machen, was ich wirklich machen möchte. Aber am Ende wird die Zusammenarbeit mit dem Musiker und dem Regisseur zu einer großartigen Erfahrung. Es war mir eine Ehre, mit Kanye und Drake, Anderson Paak und Katy Perry zu arbeiten.

 

SFF) Zwitschen wir auf die heutige Zeit. Du hast bei WILD BOAR Regie geführt. Wie einige andere Make-Up Künstler wie Chris Walas, Dave Elsey oder John Carl Buechler. Wie kam es dazu? Was hat dich geleitet diesen Film zu drehen? Was war deine Intention dahinter?

 

BB.) Danke Dir vielmals. Offiziell heißt der Film Barney Burman's Wild Boar, was sehr egozentrisch klingt, aber eigentlich nur ein Marketing-Trick ist. Ich habe von John Carpenter gelernt meinen Namen über den Titel zu setzen um mich als Regisseur zu profilieren. Mir gefällt das sehr gut. Ich denke, der Film ist lustig und verstörend, witzig und irgendwie ergreifend zugleich. Ich respektiere aber die Meinung der Leute, ob sie nun gut oder schlecht ist. Ich bestätige sie. Kein Film wird für jeden etwas sein, also musste ich einfach etwas machen, das für mich Sinn macht. Es kitzelte mich.

 

Wie es dazu kam, ist eine lange Geschichte aber kurz gesagt, ein Freund von mir kam zu mir mit der Idee, einen Film wie Planet der Affen aber mit Schweinen, zu machen.Und da klingelte bei mir wirklich die Kasse. Das war im Jahr 2012. Also habe ich angefangen zu schreiben. Der erste Entwurf war so abwegig, so verrückt, dass mir klar wurde, das er mit dem Budget nicht machbar war. Dann ging mein Freund weg um einen anderen Film zu machen, und ich war mit der Arbeit an der TV-Serie GRIMM  beschäftigt. Die ganze Sache geriet irgendwie in Vergessenheit. Aber es nagte weiter an mir. Mir wurde klar, dass ich es umschreiben musste. 2015 hatte ich einen Entwurf, von dem ich dachte, er könnte funktionieren. Also habe ich es mit einer Crowdfunding-Kampagne versucht und dadurch gerade genug Geld gesammelt, um die Crowdfunding-Kampagne zu bezahlen (lacht).

 

In der Zwischenzeit hatte ich ein Haus, das ich an einen verrückten russischen Floristen vermietet hatte der auch ein Hamsterer war. Er hörte auf, Miete zu zahlen und ich musste ihn rausschmeißen, aber er hinterließ ein Haus voller Hamsterkram. Ich habe das Haus verkauft und das Gerümpel für mein Set-Dressing verwendet. Es gab eine Menge merkwürdiger Dinge, die sich alle ergeben haben. Das Universum hat mir geholfen, den Film zu machen und als es erst einmal losging, konnte ich nicht mehr anders.

 

SFF) Hat man als professioneller Make-Up Künstler eine andere Sicht auf die Regie als Regisseure, die ihr ganzes Leben dies machen? Gibt es Besonderheiten?

 

BB.) Ich habe wahrscheinlich eine andere Perspektive, nur weil ich ich selbst bin. Jeder wird und sollte seine eigene, einzigartige Perspektive auf das Erzählen einer Geschichte haben. Mir wurde gleich am ersten Tag klar, dass ich mir keine Gedanken mehr über die Make-up-Figuren und deren Ausführung machen musste. Wenn ich mich damit beschäftigt hätte, wäre es für mich unmöglich gewesen mich auf alles andere zu konzentrieren, was die Regiearbeit mit sich bringt sobald wir mit den Dreharbeiten begonnen hatten.

 

SFF) Was magst du denn lieber: Regie führen, produzieren oder schreiben?

 

BB.) Ich schreibe gerne und führe gerne Regie. Produzieren ist eher eine Notwendigkeit. Ich würde gerne jemanden haben der als Produzent auftritt damit ich es nicht tun muss. Aber bei allem was ich in meinem Leben gemacht habe und worauf ich besonders stolz bin, bei jedem Projekt, an dem ich als Regisseur und/oder Darsteller beteiligt war, egal ob es sich um Theater oder Film handelte musste ich die treibende Kraft dahinter sein. Das ist anstrengend und kann frustrierend sein aber es ist auch immer sehr lohnend.

 

SFF) Ich glaube es war Alfred Hitchcock, der mal sinngemäß sagte, dass bei einem Film der eigentliche Dreh langweilig ist. Dass was einen Film ausmacht ist die ganze Vorproduktion. Wie siehst du das?

 

BB.) Jedem das Seine, denke ich. Ich liebe die eigentlichen Dreharbeiten absolut. Für mich ist das der spaßigste Teil, weil man mit einer Besetzung und einer ganzen Crew von Künstlern und Handwerkern zusammenarbeitet. Ich wüsste nicht, wie sich jemand in dieser Zeit langweilen könnte.

 

 

SFF) Was bedeutet dir WILD BOAR generell?

 

BB.) Das ist eine sehr gute Frage. Ich bin stolz auf den Film. Ich schätze die vielen Menschen, die dazu beigetragen haben sehr. Ich finde es ganz wunderbar, dass er nach mehr als einem Jahr immer noch 3+ Sterne auf Amazon hat. Aber noch mehr als all das bin ich stolz auf mich selbst, dass ich es geschafft habe. Dass ich es von der Idee bis zur Fertigstellung geschafft habe. Ich habe das Gefühl, dass es wirklich ein typisches Stück meiner Arbeit ist.

 

SFF) Was können wir von deinem neuen Film W.v.Z. erwarten?

 

BB.) W.v.Z: Bush vs. The Zombies ist ein Kurzfilm, der bereits vor über 12 Jahren gedreht wurde. Während der Corona-Zeit habe ich das Material gefunden und fertiggestellt. Er ist auf Vimeo zu sehen. Er besteht eigentlich aus 2 Teilen, ich kann dir gerne die Links schicken. Der Film entstand, weil mein lieber Freund Jim Nieb, ein sehr talentierter Schauspieler, eine witzige George W. Bush-Imitation machte. Er und ich dachten einfach, es wäre lustig den damaligen Präsidenten gegen Zombies kämpfen zu lassen. Es war alles nur ein Spaß.

 

SFF) Was können wir denn in Zukunft von dir sehen? Konzentrierst du dich weiterhin aufs Regie führen?

 

BB.) Ich habe immer gesagt, dass ich "kreatives ADHS" habe, aber wahrscheinlich ist es tatsächlich ADHS (lacht). Jedenfalls schreibe ich fast jeden Tag und ich liebe es Regie zu führen. Also habe ich auf jeden Fall vor mehr Filme zu machen. Zurzeit bereite ich einen Film namens THE 10th VICTIM  vor. Ich habe ihn zusammen mit meiner Freundin Susan McCauley geschrieben, die auch die Idee für die Geschichte hatte. Darin geht es um einen Serienmörder, der in eine Lebenskrise gerät als er sich in eine alleinerziehende Mutter verliebt. Ich habe auch ein paar Drehbücher in Umlauf gebracht und suche nach einer Finanzierung. In der Zwischenzeit habe ich immer noch Spaß daran, Monster und Außerirdische und alte Menschen und Dinge, die in der Nacht spuken, zu erschaffen.

 

SFF) Klingt interessant. Eine letzte Frage noch: wo siehst du dich in sagen wir zwanzig Jahren?

 

BB.) Eine weitere gute Frage. Wenn es nach mir ginge würde ich am liebsten schreiben, Regie führen und in Film und Fernsehen auftreten. Als ich jünger war habe ich bei Sanford Meisner gelernt und ich dachte immer ich würde als alter Charakterdarsteller enden. Ich liebe es zu schauspielern. Also tue ich es wann immer ich kann und wenn mich jemand bittet in etwas mitzuwirken ergreife ich die Chance.  Ich habe schon viele verschiedene Arten von Make-up gemacht und es wird immer schwieriger mich inspirieren zu lassen. Obwohl es sicherlich hilft, wenn man die brillanten Arbeiten anderer in den letzten Jahren sieht. Jeder einzelne der diesjährigen Oscar-Anwärter für Make-up ist brillant. Aber ich habe so viele Geschichten, die ich gerne auf der Leinwand verwirklicht sehen würde. Sowohl große als auch kleine und ich hoffe, dass ich das Privileg habe, sie auch in zwanzig Jahren und darüber hinaus zu erzählen.

 

 

SFF) Ich danke Dir für die Zeit. Mal sehen wann wir das dritte Interview führen werden. In 20 Jahren vielleicht?